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Der geteilte Himmel (1964): Filmbühne Torgau im Wettbewerb

Er ist einer der mutigsten und künstlerisch ambitioniertesten Filme, die in der DDR gedreht werden: „Der geteilte Himmel“. Ab Herbst 1964 – vor genau 60 Jahren – startet der DEFA-Streifen in den Kinos. Auch in Torgau.

Im Sommer 1964 befindet sich die DDR noch in einer kurzen Phase der Liberalisierung. Zwar schockte der Bau des „antifaschistischen Schutzwalls“ im August 1961 die Menschen in Ost und West, doch die darauffolgende Abriegelung stabilisierte vorerst die schwierige politische und wirtschaftliche Lage, in der das Land steckte.

Hatten zwischen dem 1. Januar und 15. August 1961 noch 159.730 DDR-Bürger das Land Richtung Bundesrepublik bzw. West-Berlin verlassen – zumeist jung und gut ausgebildet –, so werden 1964 ‚nur’ 41.878 Flüchtlinge und Übersiedler gezählt. Damit ist auch der Verlust von Arbeitskräften vorerst gestoppt. Um den Wohlstand in der DDR zu heben, wird sogar über einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel nachgedacht (vgl. Schröder 1998, S. 151, 153, 178ff.).

Christa Wolfs Roman „Der geteilte Himmel“

Doch vor allem lässt die DDR-Führung ihren Künstlerinnen und Künstlern nach dem Mauerbau mehr Freiräume. So erscheinen einige Filme und Bücher, die mal mehr, mal weniger offen ein durchaus kritisches Bild der DDR-Gegenwart zeichnen und Probleme wie die „Republikflucht“ benennen.

Ein Beispiel ist Christa Wolfs Roman „Der geteilte Himmel“ (1963): Er erzählt die Liebesgeschichte zwischen der Studentin Rita und dem Doktoranden Manfred – kurz vor dem Mauerbau im Sommer 1961. Manfred sieht keine Perspektive mehr in der DDR und geht nach West-Berlin. Als Rita ihn dort besucht, begreift sie, dass auch der Himmel, „dieses ganze Gewölbe von Hoffnung und Sehnsucht, von Liebe und Trauer“ (O-Ton: Manfred), geteilt ist. Sie fühlt sich im Westen fremd und kehrt aus Überzeugung in die DDR zurück. Die Mauer wird das Liebespaar endgültig trennen.

Christa Wolf: Der geteilte Himmel (1963) / © Mitteldeutscher Verlag
Christa Wolf: Der geteilte Himmel (1963) / © Mitteldeutscher Verlag

Der Roman wird ein Erfolg, obwohl die Kritik seitens der SED-Führung scharf ist. Christa Wolf selbst schreibt mit ihrem Mann Gerhard und dem Regisseur Konrad Wolf auch das Drehbuch zum gleichnamigen DEFA-Film – in den Hauptrollen Renate Blume und Eberhard Esche. Im Juli 1964 feiert „Der geteilte Himmel“ im Wettbewerb des „Internationalen Filmfestivals Karlovy Vary“ (ČSSR) seine Premiere – geht aber leer aus.

Besonderer DEFA-Film, besonderer Anlass

Im September soll der Film in die DDR-Kinos kommen, kurz vor dem „Tag der Republik“, wie der Gründungstag am 7. Oktober offiziell heißt. 1964 jährt sich dieser zum 15. Mal. Grund zum Feiern. Der Volkseigene (VE) Lichtspielbetrieb Leipzig, zu dem alle Kreislichtspielbetriebe im Bezirk Leipzig wie zum Beispiel Torgau gehören, nimmt den Film deshalb in seinen „Maßnahmenplan“ rund um das Jubiläum auf.

Mehr noch: Im ganzen Bezirk Leipzig, in dem 1964 ca. 1,5 Millionen Menschen leben, will man 120.000 Zuschauer erreichen. Zudem sollen Besucheraussprachen, Foyergespräche und Filmdiskussionen stattfinden. Denn: „Dieser Film stellt an die Besucher hohe Ansprüche und muß deshalb mit besonderer Sorgfalt und Liebe eingesetzt, vorbereitet und vorgeführt werden“, so der Lichtspielbetrieb Leipzig.

„Innerbetrieblicher Wettbewerb“ im Bezirk Leipzig

Um die Zahl zu erreichen, soll „Der geteilte Himmel“ prominent auf Festveranstaltungen zwischen dem 2. und 8. Oktober 1964 in den Kinos gezeigt werden. Zudem ruft der Lichtspielbetrieb Leipzig einen „innerbetrieblichen Wettbewerb“ aus – um die Kreislichtspielbetriebe anzuspornen.

Die Aufgabe: Wenn vom 2. Oktober 1964 bis 1. April 1965 eine festgelegte Zuschauerzahl und entsprechende Einnahmen für „Der geteilte Himmel“ erreicht werden, erhält der Kreislichtspielbetrieb einen Bonus, sprich: eine Geldprämie. Der Kreis Torgau tritt in der Gruppe III mit Wurzen, Oschatz, Grimma und Delitzsch an. Die Boni liegen zwischen 500 und 300 Mark.

Filmbühne Torgau ist wichtigster Einnahmegarant

Für den Kreis Torgau werden 4.080 Besucher und Einnahmen in Höhe von 2.856 Mark angepeilt. Zu den Kinos gehören damals neben den Lichtspielbetrieben in Dommitzsch und Belgern vor allem die Filmbühne Torgau am Martha-Brautzsch-Platz (heute: Friedrichplatz). Sie besitzt mit gut 530 Plätzen auch den größten Zuschauerraum im Kreis und ist der wichtigste Einnahmegarant für den Kreislichtspielbetrieb Torgau.

Ob und wie die Filmbühne die Werbetrommel im Vorfeld rührt und am Ende die geforderte Besucherzahl erreicht, ist bislang noch offen. Der Idee, mit „Der geteilte Himmel“ zugleich einen Wettbewerb auszuloben, schließen sich aber auch die Bezirke Dresden (Ziel: 8 % der Bevölkerung) und Erfurt (15 %) an.

Manfred (Eberhard Esche) und Rita (Renate Blume) in „Der geteilte Himmel“ (DDR 1964 / © DEFA-Stiftung/Werner Bergmann
Manfred (Eberhard Esche) und Rita (Renate Blume) in „Der geteilte Himmel“ (DDR 1964) / © DEFA-Stiftung/Werner Bergmann

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Wenngleich die DDR-Kritik den Film nach seinem Kinostart noch wohlwollend aufnimmt, gerät er in den nachfolgenden Jahren immer wieder in die Schusslinie. Und wird zwischenzeitlich verboten. So am 25. August 1970, weil „der weiter[e] Einsatz […] die Republikflucht-Thematik unnötig hochspielen“ würde. Heute gehört „Der geteilte Himmel“ dennoch zu den wichtigsten deutschen Filmen.

Verwendete Quellen:

  • Bezirk Leipzig (Einwohnerentwicklung 1949–1989): In: Geschichte der DDR (abgerufen: 8.8.2024)
  • Schroeder, Klaus: Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR. Unter Mitarbeit von Steffen Alisch. München, 1998
  • VE Lichtspielbetrieb Erfurt: Wettbewerbskonzeption für das 2. Halbjahr 1964, S. 1. In: BArch, DY 43/628 (1 von 2).
  • VE Lichtspielbetrieb Dresden: Bedingungen zum Zielwettbewerb mit dem Film „Der geteilte Himmel“, 31.8.1964, S. 1. In: ebd.
  • VE Lichtspielbetrieb Leipzig: Maßnahme[n]plan zur Vorbereitung und Durchführung des 15. Jahrestages der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik, 24.7.1964, S. 1f. In: ebd.
  • VE Lichtspielbetrieb Leipzig: Wettbewerbsvereinbarung, 30.7.1964, S. 1f. In: ebd.
  • VE Lichtspielbetrieb Leipzig: Einsatzplan des Filmes „Der geteilte Himmel“, 31.7.1964, S. 1f. In: ebd.
  • Zusatzprotokoll: „Der geteilte Himmel“, vom: 25.8.1970, in: Filmportal (abgerufen: 8.8.2024)


Headerfoto: Manfred (Eberhard Esche) und Rita (Renate Blume) in „Der geteilte Himmel“ (DDR 1964) / © DEFA-Stiftung/Werner Bergmann

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