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Filmbühne: Die Kinoplakat-Malerin von Torgau

In den 1950er-Jahren waren sie in überdimensionaler Größe an der Frontseite der „Filmbühne“ angebracht: handgemalte Kinotransparente, von denen die Leinwandstars herab lächelten. Doch wer hat sie in Torgau gezeichnet?

Im Gegensatz zu den gedruckten Filmplakaten, die in A-3-Größe in den drei Aushangkästen hingen, waren diese Werbetransparente bis zu mehrere Meter lang und wurden zudem mit zwei Lampen angestrahlt. Das großflächige Bild – das je nach Kinoprogramm ausgewechselt wurde – war direkt über dem zweiten Aushangkasten befestigt und verdeckte sogar ein Fenster im ersten Stockwerk.

Wer war die Torgauer Kinoplakat-Malerin?

Gemalt hat die Kinotransparente damals Elfriede Dudek. Obwohl die 1923 geborene Torgauerin keine studierte Künstlerin oder Gebrauchsgrafikerin war, zeichnete sie ab Anfang der 1950er-Jahre gekonnt mit Spritzpistole und Pinsel viele Kinotransparente für die „Filmbühne“.

Das künstlerische Talent lag beziehungsweise liegt bis heute in der Familie. „Ihr Vater, mein Opa, arbeitete schon als Malermeister in Annaburg. Und meine Enkelin hat in Meißen studiert“, erzählt der Torgauer Dieter Dudek. Der heute 73-jährige Rentner, der in seiner Freizeit Stadtführungen anbietet, ist der Sohn von Elfriede Dudek.

Filmbühne: Die Kinoplakat-Malerin von Torgau
Ehemaliges „Metropol-Theater“: Hier befand sich die Werkstatt von Elfriede Dudek / Foto: Ron Schlesinger

Ihr Atelier befand sich in der Spitalstraße 32, im Haus des früheren „Metropol-Theaters“ – einem weiteren Kino in Torgau. „Wenn man durch den Toreingang ging, gleich um die Ecke hinten rechts, stieg man eine Eisentreppe hoch und kam so in die Werkstatträume“, erinnert sich Dudek, der sogar noch ein Foto des Ateliers aufgehoben hat.

Werbung für „Junge Matrosen“ (1952)

Darauf ist Elfriede Dudek mit weißem Arbeitskittel beim Malen zu sehen: Der Titel „Junge Matrosen“ steht in Großbuchstaben auf dem Kinotransparent.

Junge Matrosen (PL 1952): Elfriede Dudek malte ein Kinotransparent für den Film / Quelle: Dieter Dudek/Privat
Junge Matrosen (PL 1952): Elfriede Dudek malte ein Kinotransparent für den Film / Quelle: Dieter Dudek/Privat

Der polnische Spielfilm startete in der DDR am 4. Juli 1952 und erzählt über Marineschüler auf dem Segelschulschiff „Dar Pomorza“, das in internationalen Gewässern unterwegs ist. Sogar das „Neue Deutschland“ berichtete über den DDR-Filmstart und lobte den Streifen. Ob die Torgauer Bevölkerung auch so angetan war, ist nicht überliefert.

Neben Spielfilmen aus sozialistischen Ländern zeigte das DDR-Kino aber auch vermeintlich unpolitische Unterhaltungsfilme, die im „Dritten Reich“ entstanden. Ein Grund war, dass das staatliche Filmstudio, die Deutsche Film AG, kurz: DEFA, es anfangs nicht schaffte, genügend Spielfilme für den einheimischen Markt herzustellen.

Eine Plakatwand für „Peterle“ (1943)

So griff man zum Beispiel auf das bayerische Lustspiel „Peterle“ von 1943 zurück. Die Geschichte handelt von einem Münchner Bierfahrer, der plötzlich für einen kleinen Jungen namens Peterle zu sorgen hat. Nach allerlei komischen Verwicklungen gibt’s am Ende ein Happyend. Der Film lief am 27. Juni 1952 in den ostdeutschen Kinos an und startete auch in Torgau.

Peterle (D 1943): Titelfigur (Ludwig Meier) und Ersatz-Papa (Joe Stöckel) / Quelle: Murnau-Stiftung/DIF
Peterle (D 1943): Titelfigur (Ludwig Meier) und Ersatz-Papa (Joe Stöckel) / Quelle: Murnau-Stiftung/DIF

Elfriede Dudek entwarf ebenso dafür ein Transparent. Das Besondere: Hier lässt sich die Mal- beziehungsweise Reproduktionstechnik gut nachvollziehen. So arbeitete sie nach einem A-3-Kinoplakat vom Verleih, das das Konterfei der beiden Hauptfiguren Peterle (Ludwig Meier) sowie Bierkutscher Josef Brandmeier (Joe Stöckel) zeigte. Sie vergrößerte diese auf Leinwand oder Hartfaserplatte und malte die großen Flächen mit Spritzpistole sowie kleinere Details mit Pinsel aus.
Kleine Frau – großes Talent: Elfriede Dudek vor der "Filmbühne" (1952) / Quelle: Dieter Dudek/Privat
Kleine Frau – großes Talent: Elfriede Dudek vor der „Filmbühne“ (1952) / Quelle: Dieter Dudek/Privat

Das Ergebnis ist heute noch auf einer Schwarzweiß-Fotografie zu erkennen – es sind neben dem Werkstatt-Foto allerdings die zwei einzigen Fotografien, die Dieter Dudek von seiner Mutter als Plakatmalerin besitzt.

Kinotransparente aus den 1950ern entdeckt

Als Ende der 1960er-Jahre die Zeit der großformatigen Kinotransparente zu Ende ging, arbeitete sie beim damaligen Rat des Kreises im Gesundheitswesen. 2001 starb Elfriede Dudek mit 78 Jahren. Wie viele Transparente sie in den 1950er- und 1960er-Jahren entwarf, ist nicht bekannt. Nach jetzigem Stand hat sich auch kein einziges von ihr erhalten.

Doch man sollte die Hoffnung nie aufgeben: Im Jahr 2014 wurden bei Renovierungsarbeiten in einer Osnabrücker Wohnung durch Zufall mehrere Kinotransparente gefunden. Diese waren auf Pappholz-Trennwänden befestigt. Der Clou: Die Transparente stammten aus den 1950er-Jahren vom berühmtesten deutschen Plakatmaler Rolf Hahnel (1910–1990). Er hatte sie für mehrere Kinos in Osnabrück entworfen.

Es wäre also gut möglich, dass in Torgau noch alte Kinotransparente von Elfriede Dudek irgendwo zum Vorschein kommen. Wenn ja, geben Sie uns Bescheid.

Besonderer Dank an Dieter Dudek für die Erlaubnis zur Veröffentlichung der Fotos.

Verwendete Quellen:


Headerfoto: Elfriede Dudek malte 1952 ein Kinotransparent für den Film „Junge Matrosen“ / Quelle: Dieter Dudek/Privat

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