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Verspätete TV-Grüße: „Ansichtskarte“ aus Schloss Hartenfels (1987)

Seit 1980 stellte sie im DDR-Fernsehen regelmäßig Sehenswertes aus der Republik vor: die „Ansichtskarte“. Torgaus bekanntestes Bauwerk blieb darin allerdings lange unentdeckt.

Am 13. Juni 1980 um 21.25 Uhr ist es soweit. Ein neues Fernsehformat geht bei DDR I erstmals auf Sendung. In der Premiere von „Ansichtskarte“ wird die Festung Königstein unweit von Dresden vorgestellt. Kurz und knapp in 15 Minuten. In schönen Bildern und mit den wichtigsten Angaben.

Titel und Konzept gehen auf die Ansichtspostkarte zurück, auf deren Rückseite wenig Platz ist, zum Beispiel für ein paar Urlaubs- oder Ausflugsgrüße – und auf der man sich ebenso kurzhalten muss.

Von Schloss Kuckuckstein bis zum Armeemuseum

Im Premierenjahr 1980 strahlt das Fernsehen der DDR elf Sendungen aus. Neben bekannten Schlössern, wie Kuckuckstein (Erstausstrahlung: 20.6.1980, 21.30 Uhr) und Rammenau (EA: 15.8.1980, 21.25 Uhr), sind die Parkanlage Großer Garten Dresden (EA: 18.7.1980, 21.20 Uhr) und der Plauensche Grund (EA: 25.7.1980, 22.30 Uhr) – ein eng eingeschnittenes Tal des Flusses Weißeritz – vertreten.

Dazu gehören aber auch der Pionierpalast Dresden (EA: 27.6.1980, 21.10 Uhr), der 1951 in das Schloss Albrechtsberg (Dresden-Loschwitz) einzog, oder das 1972 eröffnete Armeemuseum der DDR (EA: 26.9.1980, 21.35 Uhr), dessen spätklassizistischer Bau sich ebenso in Dresden befindet.

„Ansichtskarte: Burg Stolpen“ mit Rolf Hoppe

Dennoch täuscht der Eindruck, dass die Sendung vor allem Gebäude aussucht, die innerhalb des DDR-Sozialismus bestimmten Institutionen dienen, wie eben der Pionierorganisation oder Nationalen Volksarmee. Es sind eher die historischen Baudenkmäler, die die Filmemacher herausstellen wollen. Gleichwohl haben die Massenmedien, zu denen das staatliche Fernsehen gehört, aber die Aufgabe, sozialistische Überzeugungen und Haltungen herauszubilden.

Dass die Fernsehreihe zum Teil höchst amüsant konzipiert ist, zeigt die „Ansichtskarte: Burg Stolpen“ (EA: 28.3.1981, 21.15 Uhr): Die Dresdner Schauspieler Marita Böhme (*1939) und Rolf Hoppe (1930–2018) führen erst als Reisebegleiter die Besucher durch die Burg, um dann in die historischen Rollen von Gräfin Cosel und August dem Starken zu schlüpfen, der die Geliebte im Jahr 1716 für sehr viele Jahre nach Stolpen verbannte (vgl. Neue Zeit, 31.3.1981, S. 4).

Filmdreh im Mai 1987 in Torgau

Bis auf Schloss Hartenfels, dem bedeutendsten Frührenaissanceschloss der DDR, für die „Ansichtskarte“ gedreht wird, vergehen auch viele Jahre. Der Grund: Das Studio Dresden, das die Reihe produziert, setzt anfangs vor allem Sehenswürdigkeiten aus dem Bezirk Dresden ins Bild.

Verspätete TV-Grüße: „Ansichtskarte“ aus Schloss Hartenfels (1987)
Torgau: Schloß Hartenfels (Aufnahmedatum: 29.5.2005) / © TU Dresden/Diathek/Andrea Kiehn/CC0 1.0 Universell – Public Domain Dedication

Torgau liegt dagegen im Bezirk Leipzig und damit im Sendegebiet des Studio Leipzig, das – im Unterschied zum benachbarten Studio Halle (z. B. Spielkartenmuseum Altenburg, EA: 7.8.1982, 20.45 Uhr, DDR II) – keine „Ansichtskarten“ herstellt.

Im Mai 1987 kommt das Team um Regisseur Jürgen Thierlein (*1929) endlich nach Torgau ins Schloss Hartenfels. Kameramann Falk Schmidt filmt aber nicht nur im Schlosshof, in dem er den Großen Wendelstein (1536) – eine geöffnete spindellose Treppenanlage – sowie den „Schönen Erker“ (1544) festhält, sondern auch in der von Martin Luther geweihten, ersten evangelischen Kapelle: die Schlosskirche (1544).

Unverkrampfter Umgang nach Lutherjahr 1983

Im Gegensatz zu den Schlossflügeln, die im Film allesamt grau und bröckelig wirken (was vom Sprecher unerwähnt bleibt), ist der Innenraum der Schlosskapelle mit seinen gotischen Netzgewölben weiß getüncht, wobei vor allem die Steinkanzel hervorgehoben wird – ist sie doch das Zentrum des damals neu entwickelten protestantischen Innenraums.

Verspätete TV-Grüße: „Ansichtskarte“ aus Schloss Hartenfels (1987)
Torgau: Schloß Hartenfels, Großer Wendelstein (Aufnahmedatum: 2013) / © TU Dresden/Diathek/Andrea Kiehn/CC0 1.0 Universell – Public Domain Dedication

Neben der Schlosskirche ist auch die Stadtkirche St. Marien auffallend bedeutsam ins Bild gesetzt. Hier ist die Grabplatte von Luthers Frau, Katharina von Bora, sowie das Gemälde „Die 14 Nothelfer“ (1507) von Lucas Cranach d. Ä. zu sehen. Dabei ist deutlich der unverkrampfte Umgang in der Zeit nach dem Lutherjahr 1983 zu spüren, in dem die DDR – die jahrzehntelang die Kirchen bekämpfte – den Reformator für sich entdeckt.

Torgau oder Torje?

Die Torgauer „Ansichtskarte“ zeigt aber auch die für die Stadt so wichtige Elbbrücke, an der sich am Ende des Zweiten Weltkrieges sowjetische und US-amerikanische Soldaten trafen (25.4.1945), sowie fein rekonstruierte Baudenkmäler, wie das Rathaus (1563–1578) auf dem Markt. (Hier profitierte die Stadt davon, dass sie seit 1973 als Flächendenkmal galt und nach der 1000-Jahr-Feier eine umfassende Altstadtsanierung begann.)

Daneben kommen Bürgerhäuser ins Bild, z. B. in der Leipziger Straße (die Nr. 28 mit seinem spätgotischen Giebel), in der Leninstraße (heute: Spitalstraße, die Nr. 32 mit dem Eiscafé und seinem Aushängeschild) oder in der Salvador-Allende-Straße (heute: Bäckerstraße), in der das älteste Spielwarengeschäft Deutschlands (Carl Loebner, Nr. 2) steht. Letzteres bleibt allerdings unerwähnt.

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Dafür fängt die Kamera den städtischen Alltag ein, befragt die Bevölkerung auf der Straße, ob die Stadt nun Torgau oder – dem Dialekt nach – Torje heißt. All das passiert in jenen Maitagen, vom 4. bis 8. dieses Monats, in denen das DDR-Fernsehen eine 15-minütige „Ansichtskarte“ aus Torgau schreibt, die am 13. November 1987 erstmals gesendet wird.

Besonderer Dank für die Unterstützung während der Recherche an Brigitta Hafiz (Deutsches Rundfunkarchiv).

TV-Sendung: „Ansichtskarte: Schloß Hartenfels Torgau“ (Erstausstrahlung: 13.11.1987, 21.15 Uhr, DDR II; Wiederholung: 7.7.1988, 18.30 Uhr, DDR I). Die Sendung ist im Deutschen Rundfunkarchiv (DRA), Potsdam-Babelsberg, archiviert.

Drehorte: u. a.

  • Alte Elbebrücke Torgau (gesprengt 1994)
  • Markt
  • Salvador-Allende-Straße (heute: Bäckerstraße)
  • Schloss Hartenfels (Innenhof, Bärenzwinger), Schlossstraße 27
  • Rathaus Torgau, Markt 1
  • Stadtkirche St. Marien, Wintergrüne 1
  • Leipziger Straße
  • Denkmal der Begegnung (Obelisk), Elbstraße 17
  • Leninstraße (heute: Spitalstraße)

Filmcredits:

  • Autor: Bernd Weinkauf
  • Redaktion: Heide Blum, Roland Herrmann
  • Aufnahmeleitung: Patricia Schramm
  • Musikredaktion: Christian Kožik
  • Schnitt: Christel Münch
  • Grafik: Binder/Schmidt/Seibt/Walter
  • Kamera: Falk Schmidt
  • Produktionsleitung: Jürgen Eggert
  • Regie: Jürgen Thierlein

Verwendete Quellen:


Headerfoto: Torgau: Schloß Hartenfels (Aufnahmedatum: 29.5.2005) / © TU Dresden/Diathek/Andrea Kiehn/CC0 1.0 Universell – Public Domain Dedication

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