Vor 40 Jahren erlebt der Film im Ost-Berliner Kino „International“ seine DDR-Premiere. Für die Künstlerbiografie mit Herbert Grönemeyer, Rolf Hoppe und Nastassja Kinski entstehen auch Szenen in Torgau.
Als der westdeutsche Regisseur Peter Schamoni (1934–2011) am 4. November 1983 zur DDR-Erstaufführung von „Frühlingssinfonie“ ins Ost-Berliner Premierenkino „International“ kommt, nennt er die Zusammenarbeit mit der DDR „ungemein befriedigend“ und fügt hinzu: „Ich hätte diesen Film ohne die DEFA nicht machen können“ (Neue Zeit, 8.11.1983).
Hierbei denkt Schamoni vor allem an Alfred Hirschmeier (1931–1996), einen der wichtigsten DDR-Filmarchitekten, den er sich von der Deutsche Film AG (kurz: DEFA), dem staatlichen Filmstudio, ‚ausleiht’ und der die Drehorte gekonnt in Szene setzt. Die Bau-Ausführungen übernehmen Dietmar H. Suhr und Gisela Schultze (1935–2013).
Langwierige Verhandlungen im Vorfeld
Der Film erzählt die wahre Liebesgeschichte zwischen dem Komponisten Robert Schumann (1810–1856) und der Pianistin Clara Wieck (1819–1896), deren Vater aber gegen die Beziehung ist. Dessen Rolle übernimmt der populäre DDR-Schauspieler Rolf Hoppe (1930–2018). Das junge Paar wird von Nastassja Kinski (*1961) und dem damals noch nicht für seine Musik, aber aus „Das Boot“ (1981, R: Wolfgang Petersen) bekannten Herbert Grönemeyer (*1956) gespielt.
Dem Drehstart der BRD-Koproduktion, an der neben der DEFA auch das ZDF (Zweites Deutsches Fernsehen), der ORF (Österreichischer Rundfunk) und SF (Schweizer Fernsehen) beteiligt sind, gehen allerdings langwierige Verhandlungen zwischen Ost und West voraus.
Es ist die Zeit der deutsch-deutschen Teilung. Doch die Mauer bekommt schon kulturpolitische Risse. Am Ende geben die DDR-Filmfunktionäre dem westdeutschen Filmprojekt grünes Licht – auch weil die Zustimmung harte Devisen in D-Mark in die klammen DDR-Kassen spült.
Schamoni will die Künstlerbiografie möglichst an Originalschauplätzen drehen. Dabei denkt der Regisseur zum Beispiel an Zwickau – dem Geburtsort Schumanns – und vor allem Leipzig. Hier wohnt der Komponist der „Frühlingssinfonie“ von 1830–1833 im Haus von Clara Wiecks Vater: dem Klavierpädagogen Friedrich Wieck (1785–1873).
Torgauer Markt wird 1982 zum Drehort
Das Gebäude befindet sich ursprünglich in der Reichsstraße/Ecke Grimmaische Straße, wird aber Anfang des 20. Jahrhunderts abgebrochen. Die Location Scouts der DEFA werden in Torgau fündig und finden den perfekten (Ersatz-)Drehort am frisch sanierten Marktplatz: Am Haus mit der Nummer 11 wird im Spätsommer 1982 in weißen Buchstaben der Schriftzug „Musikalien · Pianos · Friedrich Wieck“ angebracht. Kameramann Gerard Vandenberg (1932–1999) dreht viele Außenaufnahmen vor dem Haus mit seinen halbrunden großen Schaufenstern.
Sogar die „Leipziger Volkszeitung“ berichtet auf ihren täglich erscheinenden Torgau-Lokalseiten über die Dreharbeiten. Dass ein Filmteam in der Stadt ist, spricht sich schnell herum. Einige Torgauerinnen und Torgauer – zumeist Kinder – schauen gespannt dem Treiben auf dem zum Teil abgesperrten Marktplatz zu. Denn so etwas passiert in Torgau auch nicht alle Tage.
Kutsche fährt über die Schlossbrücke
Auf den fertigen Filmaufnahmen sind angrenzende Straßen, wie die damals noch unsanierte Schlossstraße, und ein Teil des Marktplatzes zu sehen, auch die Mohrenapotheke – in deren Richtung Robert Schumann rennt, als er eine Kutsche einholen will.
In ihr sitzen Clara und Friedrich Wieck, die gerade zu einer Konzertreise aufbrechen. Dabei setzt die Kamera auch Schloss Hartenfels in Torgau in Szene. So fährt die Kutsche über die pittoreske Schlossbrücke nebst Bärengraben; die Kamera zeigt währenddessen das imposante Schlossportal mit Wappen.
Stadtführung, Ausstellung, Kaffeesorte
2019 bietet das Torgau-Informations-Center (TIC) eine einstündige Stadtführung mit dem Titel „Torgau – ein Drehort der ‚Frühlingssinfonie’“ an. Dabei erfahren Einheimische und Touristen Wissenswertes rund um die damaligen Dreharbeiten.
Im selben Jahr startet im Priesterhaus (Katharinenstraße 8), das zum Stadt- und Kulturgeschichtlichen Museum Torgau gehört, eine kleine, aber feine Sonderausstellung mit dem Titel „Frühlingssinfonie in Torgau: Eine bewegende Liebesgeschichte“. Anlass ist seinerzeit der 200. Geburtstag von Clara Wieck.
MEHR ZUM THEMA
Immer Wirbel um Marie (2008): Wo die ARD-Komödie in Torgau gedreht wurde
Dornröschen (1971): Großer Wendelstein wird zum Drehort
Jana und Jan (1992): Jugendwerkhof-Drama über Wendezeit 1989/90
Und dass man Musik nicht nur hören, sondern auch schmecken kann, beweist lange Zeit die Torgauer Rösterei Arabica (Bäckerstraße 5) mit der Kaffeesorte „Torgauer Frühlingssinfonie“. Zwar ist diese im 40. Film-Jubiläumsjahr nicht mehr im Angebot, doch vielleicht erlebt die Sorte ein Comeback. Das würde auch Robert Schumann freuen, der bekanntlich regelmäßig das Leipziger Kaffeehaus „Zum Arabischen Coffe Baum“ (Kleine Fleischergasse 4) besuchte.
Film: „Frühlingssinfonie“ (BRD/DDR/AT/CH, 1983, Regie: Peter Schamoni).
Filmausschnitte: Hier klicken
Drehorte in Torgau:
- Fleischmarkt, 04860 Torgau
- Markt 11, 04860 Torgau
- Schlossbrücke mit Bärengraben, Schlossstraße 27, 04860 Torgau
- Schlossstraße, 04860 Torgau
Verwendete Quellen:
- Frühlingssinfonie (BRD/DDR/AT/CH 1983). In: Filmportal (abgerufen: 26.10.2023)
- H. U.: Künstlerschicksal der Spätromantik. Filmpremiere: Frühlingssinfonie. In: Neue Zeit. Zentralorgan der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands 39 (1983), Nr. 263, 8.11.1983, S. 4.
- Hunfeld, Frauke: Frühlingssinfonie. Materialien zu einem Film von Peter Schamoni. Duisburg, 1987
- Laux, Karl: Robert Schumann. Leipzig, 1972
- Schlesinger, Ron: Drehort Torgau. Märchenklassiker, Grönemeyer-Film, Jugendwerkhof-Drama. In: Märchen im Film (erstellt: 27.5.2015, abgerufen: 26.10.2023)
- Selliers Hof Ecke Grimmaische/Reichsstraße: Zeichnung. In: Europeana (abgerufen: 26.10.2023)
Headerfoto: Frühlingssinfonie (BRD/DDR/AT/CH 1983): Clara Wieck (Nastassja Kinski) und Robert Schumann (Herbert Grönemeyer) / Foto: IMAGO/Cola Images