Als die Deutsche Film AG (kurz: DEFA) im Jahr 1970 das Grimm’sche Märchen „Dornröschen“ verfilmt, entscheidet sich das staatliche Filmstudio der DDR für Schloss Hartenfels in Torgau als Außendrehort. Eine kleine Premiere, denn „es ist das allererste historische Schlossgebäude, das für eine DEFA-Märchenadaption in Szene gesetzt“ (Rader 2021, S. 158) wird.
Die Geschichte um eine Königstochter, die sich im 15. Lebensjahr an einer Spindel sticht und in einen 100-jährigen Schlaf fällt, inszeniert Regisseur Walter Beck (*1929). Für das Szenenbild, zu dem auch Kulissen und die Auswahl der Drehorte zählen, ist Heike Bauersfeld (1937–2015) verantwortlich. Die Bau-Ausführung übernehmen Senta Ochs (1924–2005) und Peter Zakrzewski. Kinopremiere von „Dornröschen“ ist am 28. März 1971 im Berliner Kino „Kosmos“.
Großer Wendelstein wird 1970 zum Drehort
Der Märchenfilm zeigt vor allem den Hof des Renaissanceschlosses mit seinem Großen Wendelstein: Die spiralförmige freitragende Treppenanlage ohne mittlere Stütze gilt bereits nach ihrer Fertigstellung um 1536 als technisches Meisterwerk. Im DEFA-Film ist die Wendeltreppe mit langen blauen Vorhängen erstmalig zu sehen, als die ungeladene Fee des Fleißes (Vera Oelschlegel, *1938) in den Festsaal geht, in dem die Geburt der Prinzessin gefeiert wird. Später gelangt Dornröschen (Juliane Korén, 1951–2018) über eben diesen Turm zur Kammer der Fee. Die Spinnstube entsteht allerdings in den DEFA-Filmstudios in Potsdam-Babelsberg.
Im Unterschied zum Märchenfilm, in dem der Prinz (Burkhard Mann) die Prinzessin am Ende wachküsst und beide majestätisch die Stufen hinabschreiten, sind dem Wendelstein vorerst keine glücklichen Zeiten beschieden. Denn kurze Zeit nach dem Filmdreh in Torgau am 27. und 28. August 1970 wird die Treppenanlage wegen Baufälligkeit gesperrt. Nicht hundert, aber immerhin mehr als dreißig Jahre darf der Wendelstein von Einheimischen sowie Touristen nicht betreten werden.
Musical und zwei Sonderausstellungen
Erst nach dem Ende der Restaurierung 2004 können Märchenfans wieder auf den Spuren des Dornröschens wandeln und den Wendelstein besteigen. Mehr noch: Im August 2009 kehrt die Märchenfigur in einem Musical ins Schloss Hartenfels zurück. Drei Jahre später erinnert eine erste Sonderausstellung „Dornröschen – Ein DEFA-Märchen auf Schloss Hartenfels“ (2012/13) im Torgauer Stadt- und Kulturgeschichtlichen Museum an den Drehort.
Und anlässlich der Landesgartenschau 2022 in Torgau erlebt die Märchenfigur ein erneutes Comeback: Die Sonderausstellung „Dornröschen – Das Märchenschloss im Blütentraum“ vom 4. Mai bis 31. Oktober 2022 stellt literarische Varianten und filmische Adaptionen des Märchens im 20. und 21. Jahrhundert vor.
Film: „Dornröschen“ (DDR, 1971, Regie: Walter Beck).
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Drehorte: u. a.
- Schloss Hartenfels, Schlossstraße 27, 04860 Torgau (Außenaufnahmen)
- VEB DEFA Studio für Spielfilme, 1502 Potsdam-Babelsberg, August-Bebel-Straße 26–53 (Innenaufnahmen)
Verwendete Quellen:
Rader, Corinna Alexandra: Von wahren Kunstwelten. Szenographie im DEFA-Märchenfilm. Weimar, 2021, S. 156–160.
Schlesinger, Ron: Drehort Torgau. Märchenklassiker, Grönemeyer-Film, Jugendwerkhof-Drama. In: Märchen im Film (erstellt: 27.5.2015, abgerufen: 11.5.2022)
Schlesinger, Ron: Märchenhafte Drehorte. Wo Dornröschen wach geküsst wird. In: Märchen im Film (erstellt: 29.2.2020, abgerufen: 11.5.2022)
Torgau-TV: Eröffnung der Weihnachtsausstellung „Dornröschen – Ein DEFA-Märchen auf Schloss Hartenfels“ im Museum Torgau. In: Dailymotion (erstellt: 2012, abgerufen: 12.5.2022)