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Jana und Jan (BRD 1992)

Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau im Mai 2015 / Foto: Ron Schlesinger

Torgau gilt als pittoreske Renaissancestadt mit schmucken Bürgerhäusern und stattlichem Schloss. Da will es gar nicht ins Bild passen, dass in dem Ort zwischen 1964 und 1989 der in der DDR einzige Geschlossene Jugendwerkhof existiert. Hier werden über 4.000 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren zur „Anbahnung eines Umerziehungsprozesses“ eingewiesen. So die offizielle Bezeichnung. Ehemalige Insassen beschreiben den Jugendwerkhof allerdings mit den Worten „schlimmer als Knast“. Nicht wenige werden psychisch gebrochen oder begehen Suizid.

Als der Regisseur Helmut Dziuba (1933–2012) im Jahr 1991 eine Liebesgeschichte aus der Ex-DDR dreht, lässt er die Handlung in einem ehemaligen Jugendwerkhof spielen. Sein Drehbuch geht ursprünglich auf die Erinnerungen eines Aufsehers zurück, der 15 Jahre in solch einer Erziehungsanstalt gearbeitet haben soll. Dziuba verlegt seine (Film-)Geschichte in die Jahre 1989/90, zwischen dem 3. Oktober 1989 und dem Juni 1990. Als Szenenbildner kann er Heinz Röske (*1939) gewinnen, der in der DDR vor allem Indianerfilme ausgestattet hatte. Die Bau-Ausführung übernimmt Joachim Otto.

Geschlossener Jugendwerkhof wird 1991 zum Drehort

Der gut 90-minütige Spielfilm wird vom Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) und dem 1990 in eine GmbH umgewandelten VEB DEFA-Studio für Spielfilme produziert. Die Geschichte erzählt zu Beginn von dem 15-jährigen Jan (René Guß), der wegen „versuchter Republikflucht“ in einem Jugendwerkhof einsitzt, aber in einen anderen verlegt wird. Für diese Aufnahmen entscheiden sich die Filmemacherinnen und -macher für den ehemaligen Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau als Drehort.

Kameramann Helmut Bergmann (1926–1998) filmt dafür das von außen geschlossene schwere Schleusentor am Fischerdörfchen 15. Danach wird der graue, trostlose Innenhof der Anstalt gezeigt. Hier steigt Jan in ein Auto, das ihn in einen anderen Jugendwerkhof abtransportiert – und in dem er später das Mädchen Jana (Kristin Scheffer) kennen lernt. Diese Aufnahmen entstehen allerdings in einem anderen ehemaligen DDR-Jugendwerkhof: im heutigen Schloss Fürstlich Drehna im brandenburgischen Luckau.

Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau

Als das Filmteam 1991 in Torgau dreht und „Jana und Jan“ am 26. Mai 1992 im Berliner Kino „Rio“ uraufgeführt wird, steht das Gebäude des Geschlossenen Jugendwerkhofs bereits leer. Im November 1989 wurden die letzten Jugendlichen – auch aufgrund des politischen Drucks – entlassen. Ein Jahr später übernimmt die Treuhand Liegenschaftsverwaltung den Komplex. Dieser wird 1996 an einen privaten Investor verkauft, der die ehemalige Erziehungsanstalt zur Wohnanlage umbaut.

Das frühere Verwaltungsgebäude wird allerdings unter Denkmalschutz gestellt. Dort erinnert seit 1998 eine Gedenkstätte an den Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau – und vor allem an das Schicksal der jungen Menschen. Die Gedenkstätte kann Dienstag bis Freitag von 13 bis 18 Uhr sowie sonn- und feiertags von 10 bis 18 Uhr besucht werden.

Film: „Jana und Jan“ (BRD, 1992, Regie: Helmut Dziuba).

Vortrag: Mittwoch, 10. Mai 2023, Zeit: 19 bis 20.30 Uhr, Eintritt: kostenlos, Ort: Volkshochschule Nordsachsen, 04860 Torgau, Puschkinstraße 3, Raum 1.01. Hier mehr erfahren

Drehort: u. a.

  • Geschlossener Jugendwerkhof Torgau (heute Gedenkstätte), Fischerdörfchen 15, 04860 Torgau
  • Jugendwerkhof Drehna (heute Schloss Fürstlich Drehna), Lindenplatz 8, 15926 Luckau OT Fürstlich Drehna

Verwendete Quellen:

Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau: Historie (abgerufen: 12.5.2022)

Hingerl, Elisabeth: Der Geschlossene Jugendwerkhof Torgau – eine „Totale Institution“. In: Bundeszentrale für politische Bildung. Deutschland-Archiv (erstellt: 18.10.2021, abgerufen: 12.5.2022)

Schlesinger, Ron: Drehort Torgau. Märchenklassiker, Grönemeyer-Film, Jugendwerkhof-Drama. In: Märchen im Film. (erstellt: 27.5.2015, abgerufen: 11.5.2022)

Wirklichkeit durchschaubar machen. Sonderdruck der Kinder- und Jugendfilm Korrespondenz zur Werkschau Helmut Dziuba vom 14.–16. April 2011 in München. Redaktion: Christel Strobel, Hans Strobel. München, 2011, S. 9f.

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