2022 wird der freche Kobold 60 Jahre alt. Was nur wenige wissen: Bereits zu Beginn seiner Fernsehkarriere besuchte Pittiplatsch die Stadt Torgau – an einem ganz bestimmten Datum.
Es ist das Jahr der Jubiläen für Pittiplatsch. Erst erblickte er am 17. Juni 1962 – vor genau 60 Jahren – das Licht der Welt. Damals trat der vorwitzige Kobold nämlich im „Abendgruß“ des Deutschen Fernsehfunks (DFF) auf.
Und er mischte die tägliche Gute-Nacht-Sendung mit dem Moderator Meister Nadelöhr alias Eckart Friedrichson (1930–1976) mächtig auf. Denn Pittiplatsch hielt vom Schlafengehen ziemlich wenig und war für jeden Streich zu haben.
In den Straßen klingt Musik, Torgau grüßt die Republik
Doch 2022 hält noch ein zweites Jubiläum bereit: Am 7. Oktober 1967 – vor genau 55 Jahren – besuchte Pittiplatsch zum ersten Mal die Stadt Torgau. Die DDR beging an diesem Datum jährlich den Tag der Republik, weil sie am 7. Oktober 1949 gegründet wurde. Das staatliche Kinderfernsehen ließ sich für diesen Geburtstag zumeist etwas einfallen.
So stellte die Redaktion für den 7. Oktober 1967 eine Live-Sendung auf die Beine, die auf einer Bühne von 10 bis 11 Uhr vom Rosa-Luxemburg-Platz in Torgau übertragen wurde. Der Titel: „In den Straßen klingt Musik, Torgau grüßt die Republik“. Und mit dabei war, na klar: Pittiplatsch.
Kinderbuchautor Günther Feustel schrieb Manuskript
Obgleich die TV-Sendung nicht erhalten geblieben ist, hat im Deutschen Rundfunkarchiv (DRA) in Potsdam ein 29-seitiges Sendemanuskript die Jahre überdauert. Es wurde am 23. September 1967 verfasst, nur wenige Tage vor der Direktübertragung. Die Ideen für die Sendung stammten von Günther Feustel (1924–2011).
Er schrieb wie seine Frau Ingeborg (1926–1998) viele Kinderbücher, aber auch Folgen für den „Abendgruß“, darunter Episoden für zwei andere Handpuppen: „Herr Fuchs und Frau Elster“. Feustel textete ebenso für den wortgewandten Pittiplatsch: Dessen Aussprüche „Platschquatsch!“, „Ach, du meine Nase!“ oder „Kannste glauben!“ gehen auf ihn zurück.
Adi aus „Mach mit, mach’s nach, mach’s besser“
Für die Torgauer Sendung überlegte sich der Kinderbuchautor eine Geschichte rund um den Reporter Andreas (Andreas Kurz), der Aufnahmen für die „neueste Ausgabe der Torgauer Pionierzeitung“ macht, sowie die Kinder Tina (Barbara Augustin, *1940) und Tim – gespielt vom damals 29-jährigen Gerhard Adolph (*1937), genannt „Adi“.
Er moderierte seit 1964 die DDR-Kindersportsendung „Mach mit, mach’s nach, mach’s besser“ und war dem Publikum bestens bekannt. Auch Barbara Augustin arbeitete bereits seit den 1960er-Jahren vor und hinter der Kamera fürs DDR-Kinderfernsehen.
Pitti saß auf Torgauer Feuerwehrfahrzeug
Pittiplatsch war trotzdem der Star an diesem Vormittag. Er kam – laut Sendemanuskript – mit Tim und Tina auf einem echten Torgauer Feuerwehrfahrzeug zum Rosa-Luxemburg-Platz gefahren. Zuvor soll ein Republiksgeburtstagssondermärchenland-Express die Besucher in die Kreisstadt gebracht und am örtlichen Bahnhof abgeliefert haben.
Mit dabei war damals auch die Stimme von Pittiplatsch: Heinz Schröder (1928–2009). Für den Puppenspieler war auf der Bühne eine Spielleiste aufgebaut: oben saß Pitti, unten sprach – verdeckt – Heinz Schröder und bewegte den Kobold.
„Hee – ihr Krümel da ganz hinten“
Pittis erste Worte an das Publikum lauteten: „Winke, winke, winke für alle Torgauer! Oiii, Tinchen, sind das aber viele Kinder. Hee – ihr Krümel da ganz hinten, könnt ihr Pittplatsch, den Lieben, überhaupt sehen? Na, dann ist’s ja gut.“
Allerdings täuscht der erste Eindruck ein wenig. Denn das Bühnenprogramm bestand vor allem darin zu erfahren, welche guten Taten die Torgauer Jung- und Thälmannpioniere zum Republikgeburtstag vollbracht haben. Zudem wurde viel getanzt, viel gesungen, zum Beispiel ein „Torgaulied“, und viel musiziert (Schalmeienkapelle Zinna, Flötenchor Oberschule Belgern).
Obgleich Pitti immer mal wieder verbal dazwischen grätschte oder wohlwollend kommentierte („Ach, du mein zwiebelrunder Bauch, das war prima […]“).
Torgauer Profisportler auf der Fernsehbühne
Für die Live-Sendung hatten die Programmverantwortlichen auch lokale Sportlerinnen und Sportler eingeladen. Dazu zählten laut Manuskript der in Torgau geborene, mehrfache DDR-Meister im Boxen Rainer Poser (*1941), der ebenso in der Kreisstadt aufgewachsene und vierfache DDR-Meister im 100-Meter-Sprint Heinz Erbstößer (*1940) sowie Heidi Siegert und Monika Schneider.
Ob die Lokalgrößen damals wirklich aufgetreten sind, lässt sich bislang nicht sagen. Auch in den Torgauer Lokalseiten der „Leipziger Volkszeitung“ (LVZ) findet sich dazu nichts. Zwar wird wenige Tage später die Fernsehsendung kurz erwähnt („Tausende Mädchen und Jungen und viele Torgauer hatte diese Veranstaltung angezogen“), doch vom Programm ist nichts zu erfahren.
Es hätte allerdings vor Kurzem eine Möglichkeit gegeben, Pitti direkt danach zu fragen. Denn der Kobold besuchte während seiner Jubiläumstournee zum 60. Geburtstag („Pittiplatsch auf Reisen“) im April 2022 auch das Kulturhaus Torgau – das sich, wie es der Zufall will, am Rosa-Luxemburg-Platz befindet. Pitti würde über diese Fügung wohl sagen: „Da staunst du, was?“
Besonderer Dank für die Unterstützung während der Recherche an Dr. Jörg-Uwe Fischer (Deutsches Rundfunkarchiv) und Isabel Peuker (Stadtarchiv Torgau).
Dieser Artikel wurde am 13. Januar 2023 aktualisiert.
TV-Sendung: „In den Straßen klingt Musik, Torgau grüßt die Republik“ (Kinderfernsehen, ab 6 Jahre, Erstausstrahlung: 7.10.1967, 10 bis 10.58 Uhr, DFF)
Verwendete Quellen:
- Deutscher Fernsehfunk/Kinderfernsehen, HA Jugend und Erziehung: „Vati, Mutti, wir sind stolz auf Euch – eine Estrade aus Torgau“ (Arbeitstitel), Manuskript vom 23.9.1967. In: Deutsches Rundfunkarchiv (DRA), Schriftgutbestand Fernsehen: KF/Jugend und Erziehung, A22 1967
- Pittiplatsch auf Reisen: Jubiläumstournee zum Geburtstag (3. April 2022). In: Kulturhaus Torgau (abgerufen: 27.9.2022)
- May, Christin (Hrsg.): Das ultimative Pittiplatsch-Buch. 3. Auflage. Berlin, 2016
- [o. A.]: Über 5000 junge Leute beim Fest der Freundschaft. In: Leipziger Volkszeitung 22 (1967), Nr. 279, […].10.1967, S. […].
Headerfoto: Pittiplatsch auf einer Ansichtskarte aus dem Jahr 1977 / Quelle: Bild und Heimat/Privat