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„Der Fernsehfunk in Torgau“: Wie Zauberpeter im Kreiskulturhaus moderierte

Den Namen der damals aufgezeichneten DDR-Quizsendung kennt heute kaum jemand. Doch der 24-jährige Spielmeister, der sie 1967 im Torgauer Kreiskulturhaus präsentiert, wird zu einem bekannten DDR-TV-Gesicht.

Zwar stehen Mitte der 1960er-Jahre noch sehr wenige Fernsehgeräte in ostdeutschen Wohnzimmern, aber der Deutsche Fernsehfunk (DFF) – das staatliche DDR-Fernsehen – produziert seit seinem Start bereits viele Unterhaltungsformate.

Dazu zählen „Da lacht der Bär“ (1955–1957, 1960–1965) – eine Mischung aus Show, Politik und Kabarett – oder der erste Talente-Wettbewerb des gesamtdeutschen Fernsehens: „Herzklopfen kostenlos“ (seit 1958), moderiert vom DDR-Fernsehen-Urgestein Heinz Quermann (1921–2003).

Peter Kersten ist Spielmeister

1964 tritt dort auch der junge Student Peter Kersten als Zauberkünstler auf. Obwohl der 21-Jährige eigentlich Chemie an der Universität Jena studiert, hinterlässt er bei den Fernsehverantwortlichen einen bleibenden Eindruck. So darf er ab 1967 als frischgebackener Diplom-Chemiker die neue Quizsendung „Köpfchen, Köpfchen und Profil“ im DDR-Fernsehen als Spielmeister moderieren.

In Anzug und Krawatte: Peter Kersten (um 1965) / Foto: Peter Kersten/Privat
In Anzug und Krawatte: Peter Kersten (um 1965) / Foto: Peter Kersten/Privat

Die sechste Ausgabe der Sendereihe wird am 9. September 1967 in Torgau aufgezeichnet – und zwar im Saal des Kreiskulturhauses (heute: Kulturhaus) am Rosa-Luxemburg-Platz. Dafür schaltet der DFF in der Lokalausgabe der „Leipziger Volkszeitung“ (LVZ) sogar eine Anzeige („Der Fernsehfunk in Torgau“). Gezeigt wird die Folge am 16. September 1967 im Fernsehen.

Obgleich die TV-Sendung nicht erhalten geblieben ist, hat im Deutschen Rundfunkarchiv (DRA) in Potsdam ein dreiseitiges Manuskript die Jahre überdauert. Es wurde am 5. September 1967 verfasst, nur wenige Tage vor der Aufzeichnung.

Wer spielt in Torgau gegen wen?

Laut Programmplan treten in Torgau zwei Mannschaften mit je drei Mitspielern gegeneinander an. Zudem gibt es einen Gastgeber. Alle – Mannschaften und Gastgeber – kommen allerdings aus der Landwirtschaft, genauer gesagt aus sogenannten Kooperationsgemeinschaften, kurz: KOG.

Der Grund: Ende der 1960er-Jahre werden DDR-Agrarbetriebe angehalten, mit mindestens zwei gleichberechtigten Partnern zusammenzuarbeiten bzw. sich zu KOG zusammenzuschließen. Ziel ist, die Erträge zu steigern, die Kosten zu senken und die Lebensbedingungen auf dem Land zu verbessern. Das Fernsehprogramm forciert mit der Quizsendung die staatlichen Pläne ausdrücklich.

In Torgau treten die beiden KOG Köllitsch – heute ein Ortsteil der Gemeinde Arzberg im Landkreis Nordsachsen – und Jahna/Kagen, im damaligen Kreis Meißen gegeneinander an. Gastgeber ist die KOG Zwethau, die sich ein paar Kilometer nordöstlich von Torgau befindet. In den Wissens- und Spielrunden geht es hauptsächlich um Fragen rund um die Landwirtschaft in der DDR.

Modenschau vom „Versandhaus Leipzig“

Wen Peter Kersten am Ende zur Siegermannschaft kürt, ist nicht bekannt. Laut Sendemanuskript revanchiert sich der DFF mit einem Geschenk beim Torgauer Gastgeber – „in Form einer kleinen Modenschau vom ‚Versandhaus Leipzig’“. Dem DDR-Pendant von Quelle, Neckermann und Co.

Kulturhaus Torgau: Hier wurde die Sendung im September 1967 aufgezeichnet / Foto: Ron Schlesinger
Kulturhaus Torgau: Hier wurde die Sendung im September 1967 aufgezeichnet / Foto: Ron Schlesinger

Der Betrieb druckt, wie auch das „konsument-Versandhaus“ aus Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz), Bestellkataloge mit Konsumgütern für DDR-Bürger. Dazu gehören technische Haushaltsgeräte, aber auch modische Kleidung.

In Torgau zeigen Mannequins die neueste Kollektion zum Bestellen. Ob die dann auch nach Hause geliefert wird, ist dagegen fraglich. Denn selbst der DDR-Versandhandel kämpft mit der Mangelwirtschaft. 1976 wird er eingestellt.

Der Gegensatz von Stadt und Land im Sozialismus

Einige Jahre früher kommt das Aus für „Köpfchen, Köpfchen und Profil“. Schon 1969 ist Schluss mit der Quizsendung, die es trotzdem auf etwa 40 Ausgaben schafft. Hatte sich die offizielle, also ideologiekonforme Konzeption der Programmverantwortlichen nicht bewährt?

Diese sollte im unterhaltend aufgemachten Wissenswettbewerb „zeigen, wie sich auf der Grundlage einer sich revolutionär entwickelnden modernen Produktion das Antlitz der Landbevölkerung und ihr geistiges Niveau rasch weiterentwickelt.“

Im Klartext hieß das: Auch im DDR-Sozialismus haderte man mit dem Stadt-Land-Gegensatz – und den damit verbundenen Klischees. Die Spielsendung sollte vor allem die Vorurteile gegenüber der Landbevölkerung angehen und bestenfalls revidieren. Offenbar hatte sie ihr Ziel verfehlt.

„Zauber auf Schloss Kuckuckstein“ (1985–1989)

Für Peter Kersten ist „Köpfchen, Köpfchen und Profil“ dennoch der Start in eine Karriere. So steht er nach seiner Promotion in der Revue „Hokus Pokus Ferdinand“ (1974 ) an der Seite des gleichnamigen Clowns – gespielt vom tschechischen Darsteller Jiří Vršťala (1920–1999). Ab 1976 moderiert er die Gruß- und Wunschsendung „Kunterbunt“ (bis 1985) im DDR-Kinderprogramm.

In der Fernsehsendung „Ein Abend im blauen Salon“ (1982): Peter Kersten / Foto: Imago Images/United Archives
In der Fernsehsendung „Ein Abend im blauen Salon“ (1982): Peter Kersten / Foto: Imago Images/United Archives

1985 erhält Zauberpeter, so sein neuer Spitzname, eine eigene Sendung im Abendprogramm des DDR-Fernsehens: „Zauber auf Schloss Kuckuckstein“ (1985–1989). Als Fernseh-Schloss-Magister lädt er mit seinem Butler Eduard (Edgar „Eddi“ Külow, 1925–2012) regelmäßig Gäste in der alten Burg ein und zeigt hier seine Zaubertricks.

Im Unterschied zu anderen Ost-Stars schafft Peter Kersten nach der Wiedervereinigung den Sprung in die gesamtdeutsche Medienlandschaft. Genau 45 Jahre nach der Torgauer Ausgabe „Köpfchen, Köpfchen und Profil“ kommt er sogar noch einmal in die nordsächsische Kleinstadt und stellt 2012 in einer Lesung seine Autobiografie „Der Zauberpeter: Erinnerungen eines Magiers und Scharlatans“ vor – inklusive Zaubershow.

2023: Zauberpeter feiert 80. Geburtstag

Und was hat er sich für das Jahr 2023 vorgenommen? Erst einmal will er beim Videoportal YouTube seinen eigenen Kanal „Magix Mix – The Magic Doctor“ mit neuen Beiträgen bestücken. Dann feiert Peter Kersten am 26. Juli 2023 seinen 80. Geburtstag.

Zudem steht er weiter auf der Bühne und macht das, was er am besten kann: zaubern – allerdings nicht mehr in großen Shows, sondern in kleinen privaten Feiern wie Hochzeiten oder Geburtstagen. Pst, es sind noch Termine für 2023 frei. Einfach anrufen, buchen und verzaubern lassen!

Besonderer Dank für die Unterstützung während der Recherche an Dr. Jörg-Uwe Fischer (Deutsches Rundfunkarchiv), Dr. Peter „Zauberpeter“ Kersten und Isabel Peuker (Stadtarchiv Torgau).

TV-Sendung: „Köpfchen, Köpfchen und Profil“ (Erstausstrahlung: 16.9.1967, 16.30 bis 17.30 Uhr, DFF)

Verwendete Quellen:

  • Fanta, Oskar: Köpfchen, Köpfchen und Profil (1967–1969). In: Ders.: Sehen – Raten – Lachen? Quiz- und Spielsendungen im Fernsehen der DDR. Berlin: Weißensee-Verlag, 2006, S. 109–113 (Berliner Beiträge zur Mediengeschichte, Bd. 2).
  • Kunath, Günter/Hauptabteilung (HA) Agrarpolitik: Manuskript „Köpfchen, Köpfchen und Profil“, 5.9.1967. In: DRA, Schriftgutbestand Fernsehen: Alt B8a Agrarpolitik
  • Immler, Hans: Arbeitsteilung, Kooperation und Wirtschaftssystem. Eine Untersuchung am Beispiel der Landwirtschaft in der BRD und in der DDR. In: Volkswirtschaftliche Schriften. H. 203, Berlin, 1973, S. 172–182.
  • Kaminsky, Annette: Kaufrausch. Die Geschichte der ostdeutschen Versandhäuser. Berlin, 2006
  • Kersten, Peter: The Magic Doctor – Zauberpeter (abgerufen: 13.2.2023)
  • Leipziger Volkszeitung (22/73) 1967, Nr. 247, 8.9.1967, S. 12.
  • Leipziger Volkszeitung (22/73) 1967, Nr. 248, 9.9.1967, S. 8.
  • Leipziger Volkszeitung (22/73) 1967, Nr. 254, 15.9.1967, S. [12].
  • Tiedke, Gerd: „Zauberpeter“ kommt nach Torgau. In: Torgauer Zeitung (vom: 5.10.2012, abgerufen: 30.1.2023)
  • Zimmermann, Hartmut (Hg.): Kooperationsgemeinschaft (KOG). In: DDR-Handbuch – A. Enzyklopädie der DDR. Berlin, 2000 [1985], [S. 1006]
  • [o. A.]: Interview zum Versandhandel in der DDR: Kataloge wie im Westen. In: MDR-Geschichte (vom 4.1.2016, abgerufen: 30.1.2023)
  • [o. A.]: Spiel- und Ratesendungen im Osten. In: Deutsche Fernsehgeschichte in Ost und West. Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). (vom: 1.6.2021, abgerufen: 30.1.2023)


Headerfoto: Zauberkünstler Peter Kersten (um 1965) / Foto: Peter Kersten/Privat

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