Der einst beleuchtete Schriftzug gilt als Wahrzeichen der Torgauer Kinogeschichte. Doch wo wurde das Neonschild überhaupt hergestellt und von wem? Eine Spurensuche.
Alles fängt mit der Doku-Serie „Der Osten – Entdecke wo du lebst“ an. Die MDR-Fernsehsendung (dienstags, 21 Uhr, MDR) erzählt über Vergangenes und Heutiges in Mitteldeutschland. In der Folge „Leuchten, Lampen und Reklame: Halles Weg zum Licht“ wird das ehemalige Werksgelände des VEB Neontechnik Halle/Saale vorgestellt. Denn der 1962 gegründete volkseigene Betrieb ist der größte Hersteller von Leuchtreklame im Ostblock – und in der DDR.

Ob das Neonschild „Filmbühne“ für das Torgauer Kino wohl auch dort entsteht? Der originale Schriftzug mutmaßlich aus den 1960er-Jahren hängt zwar noch am Gebäude, leuchtet aber schon lange nicht mehr. Denn das Kino ist seit 2012 geschlossen und verfällt. Vielleicht kann man wenigstens das Geheimnis um die Entstehung der Leuchtschrift lüften.
VEB Neontechnik Halle und Buchstabenmuseum Berlin
Denn in dem 45-minütigen MDR-Film kommt Gabriel Machemer zu Wort. Der in Wolfen geborene Autor und Illustrator kauft 2008 das frühere Betriebsgelände des VEB Neontechnik Halle in der Hordorfer Straße 4. Jetzt vermietet er es an Kunstschaffende.
Bei der Übernahme erbt Machemer auch mehr als einen Kubikmeter ältere Planungsunterlagen: zumeist Ordner mit Originaldokumenten, darunter Angebotsschreiben, Kostenvoranschläge, Baupläne und Schaltkreis-Zeichnungen.

Er schenkt sie dem ehrenamtlich geführten Buchstabenmuseum in Berlin. Seit über 20 Jahren rettet es Buchstaben und ganze Schriftzüge, die sonst auf dem Müll gelandet wären, und macht sie wieder funktionstüchtig. Ursprünglich stammt die Leuchtreklame von ehemaligen Fabriken, Kaufhäusern, Kinos und Hotels, die es schon längst nicht mehr gibt.
Einige Exponate davon sind im Museum ausgestellt. Es befindet sich seit 2016 im Stadtbahnbogen am S-Bahnhof Bellevue und hat donnerstags bis sonntags von 13 bis 17 Uhr geöffnet.
„Neues Deutschland“ und „Gastmahl des Meeres“
Mit-Gründerin und Leiterin Barbara Dechant, in Wien geboren und seit 1997 in Berlin, hütet nun die fast 100 geschichtsträchtigen Ordner. Sie umfassen etwa die Jahre 1970 bis 1992 – und enthalten zum Teil handgeschriebene Dokumente zu heute noch legendären Werbe-Schriftzügen.
Zum Beispiel über die General-Reparatur (1981) der Leuchtreklame „Neues Deutschland“ – dem Zentralorgan der SED, am Ostberliner Franz-Mehring-Platz 1. Oder über das „Gastmahl des Meeres“ (1976) in Erfurt (Bahnhofstraße 45): Das ist eine Fischrestaurantkette (wie im Westen „Nordsee“), die es bis zum Ende der DDR in über 30 Städten gibt.


In den Ordnern gibt es vor allem Unterlagen über Licht-Projekte in der Hauptstadt Berlin, aber neben Erfurt auch aus anderen ehemaligen Bezirksstädten: Leipzig, Potsdam, Magdeburg (u. a. „Milchbar“, „Bierquell“, „Büfett“, „Wildbret-Stübl“, „disco treff“, alle 1989) oder Cottbus („VEB Kombinat Kraftwerk Cottbus Wilhelm Pieck, Stammbetrieb“; 1976).
Kleinere Städte, wie Eisleben (Kulturhaus „Der Jugend und des Sports“, 1976), Sangerhausen (Kulturhaus „Thomas Müntzer“, 1976), Burg („Hotel Stadt Burg“, 1980) und Jüterbog (für eine sowjetische Handelseinrichtung die Leuchtreklame „Drushba“, 1976), sind ebenso vertreten.
Und die Torgauer „Filmbühne“?
Das Besondere: Die Schriftstücke spiegeln immer auch die Stadtgeschichte des jeweiligen Ortes wider – mit seinen Betrieben, Kultur-, Freizeit- und Sporteinrichtungen. Die Dokumente könnten deshalb von den städtischen Museen intensiver für die Aufarbeitung einer lokalen DDR-Geschichte vor Ort genutzt werden.

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Und die Torgauer „Filmbühne“? In Stichproben von Ordnern aus Anfang der 1970er-Jahre finden sich bislang keine Planungsunterlagen. Vielleicht auch, weil die Leuchtreklame schon in den 1960er-Jahren in Halle hergestellt ist. Oder doch ganz woanders? The story continues …
PS: Noch eine schlechte Nachricht am Ende: Das Berliner Buchstabenmuseum schließt am Sonntag, den 5. Oktober 2025 seine Pforten. Für ihre Sammlung suchen die Mitstreiterinnen und -streiter noch eine langfristige Lagerung (die auch wieder Geld kostet). Wer das Museum unterstützen möchte, kann das via betterplace.org. Danke!
Besonderer Dank auch für die Unterstützung während der Recherche an Gabriel Machemer (Halle/Saale) sowie an Barbara Dechant vom Buchstabenmuseum Berlin.
Headerfoto: Kino „Filmbühne“ in Torgau (Aufnahme vom 7.5.2018): Es ist seit 2012 geschlossen / Foto: Wikimedia Commons/Radler59
