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Torgauer Geschäft: Das ist im Werbefilm von 1937 zu sehen

Sie ist so alt wie der Film selbst: die Kinoreklame. In den 1930er-Jahren setzt auch ein Geschäft in der Spitalstraße auf diese Strategie – und bewirbt eine bekannte Porzellanmarke.

Seit der Erfindung der bewegten Bilder wird ebenso Reklame im Kino gezeigt. Ist diese in den 1920er-Jahren noch stumm, so laufen ab dem Beginn der 1930er-Jahre auch Ton-Werbefilme in den Lichtspieltheatern.

Diese werden im Vorprogramm vor dem Hauptfilm gezeigt – vermutlich auch in den drei Torgauer Kinos: „Schützenhaus-Lichtspiele“ (Mackensenplatz 16, heute: Rosa-Luxemburg-Platz), „Metropol-Theater“ (Spitalstraße 32) und ab September 1939 im „Neuen Lichtspielhaus“ am Friedrichplatz 11 a.

Fachgeschäft Karl Müller, Torgau

Ob auch Torgauer Firmen, wie die Kaffee-Ersatzmittel-Fabrik Torgama-Röstwerke, die Steingutfabrik Villeroy & Boch, das Brauhaus Torgau oder die Torgauer Glashütten-AG, in den 1930er-Jahren auf Kinoreklame setzen, ist bislang noch unklar. Dagegen hat ein Torgauer Einzelhändler den Werbefilm für sich entdeckt: das „Fachgeschäft Karl Müller“ (Inhaber: Konrad Müller) in der Spitalstraße 8.

Werbeanzeige / Quelle: Adressbuch 1939 für den Kreis Torgau
Werbeanzeige / Quelle: Adressbuch 1939 für den Kreis Torgau

Allerdings nutzt der Torgauer Händler einen sogenannten Standardwerbefilm und lässt aus Kostengründen keinen eigenen produzieren. Kinoreklame dieser Art ist stark vereinheitlicht, weil verschiedene Einzelhändler diese neutralen Werbefilme verwenden können. Am Ende wird nur der Schlusstitel ausgewechselt bzw. der Name des lokalen Geschäfts genannt. Hier heißt es: Das führende Fachgeschäft. Porzellan, Kristall, Luxuswaren. Karl Müller. Torgau. Tel. 564

Produkte der Porzellanfirma Rosenthal

Die Rottenwallner Tonfilm-Produktion Mannheim stellt den Werbefilm her. Das Unternehmen gehört Friedrich „Fritz“ Rottenwallner (*1900), der in den 1920er-Jahren noch als Kameramann das Lokalgeschehen in und um Mannheim filmt. Später gründet er seine eigene Firma und stellt neben Kulturfilmen auch Kinoreklame her – wie den Werbefilm, den das Torgauer „Fachgeschäft Karl Müller“ bucht, um sein Warenangebot bekannt zu machen.

Der Film zeigt verschiedene Produkte der Porzellanfirma Rosenthal – ob sie die Kinoreklame auch in Auftrag gibt, ist bislang noch unklar. Sicher ist, dass das Unternehmen aus Selb/Oberfranken bereits in den 1920er-Jahren den (Image-)Film für sich entdeckt beziehungsweise selbst vom deutschen Kulturfilm entdeckt wird. Das betrifft sowohl die Fertigung von Kunstporzellanen wie Figuren als auch die fabrikmäßige Herstellung der Geschirre.

Rosenthal gilt damals als eine der deutschen Vorzeigefirmen und blickt 1929 bereits auf ein 50-jähriges Firmenjubiläum zurück. Dazu senden sogar der rechtskonservative Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847–1934) und Außenminister Gustav Stresemann (1878–1929) Glückwünsche.

Dann der abrupte Bruch: Firmengründer Philipp Rosenthal (1855–1937) wird 1934, ein Jahr nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, aus der Firma gedrängt – allein wegen seiner jüdischen Herkunft. Das Unternehmen wird „arisiert“, aber nicht umbenannt, weil die Marke Rosenthal im In- und Ausland hoch angesehen ist – und den Nazis Geld einbringt.

Realfilm mit Schauspieler-Sequenz

Mehr noch: Die neue Unternehmensführung setzt weiter auf Werbung, wie ein 45-sekündiger Kurzfilm beweist, der bislang auf das Jahr 1937 datiert ist. Darin werden Kunstporzellane wie Tiere (Pferde, Hunde) und eine Reiterfigur gezeigt. Die Figuren entstanden nach frühen Entwürfen des Bildhauers Albert Hinrich Hussmann (1874–1946) sowie des wegen seiner Nähe zum NS-Regime später umstrittenen Porzellanbildners Theodor Kärner (1884–1966).

Anschließend wirbt der Realfilm mit einer kurzen Schauspieler-Sequenz für verschiedenes Rosenthalgeschirr, das auf zwei gedeckten Tischen arrangiert ist. Die Porzellanmarke stellt zudem einen modernen Servierwagen mit Rollen an den Füßen sowie verschließbaren Türen vor – die sich mittels Trick öffnen. Dabei werden ein dreiteiliges versilbertes Tee- und Kaffeekernstück (Kanne, Zuckerdose, Rahmgießer) sowie Mokkageschirr und Kristallgläser ausgestellt.

Am Ende wird – noch vor dem Schlusstitel mit dem Namen des Torgauer Geschäfts – das Rosenthal-Logo mit dem Zusatz „Weltmarke des Porzellans“ eingeblendet.

Wer war Konrad Müller?

Über den Inhaber des Torgauer Glas- und Porzellangeschäfts, den Kaufmann Konrad Müller, ist bislang allerdings viel weniger bekannt als über die Waren, die er verkauft hat. Ein Adressbuch aus dem Jahr 1939, das auch ein Straßenverzeichnis beinhaltet, gibt ihn nur als Besitzer des Geschäftshauses Spitalstraße 8 an. Heute befindet sich in dem kleinen zweistöckigen Gebäude das Bekleidungsgeschäft „No. 1 Mode“, das von Petra Schulze geführt wird.

Spitalstraße 8 in Torgau im Mai 2022 / Foto: Ron Schlesinger
Spitalstraße 8 in Torgau im Mai 2022 / Foto: Ron Schlesinger

Werbefilm: „Porzellan Rosenthal“ (D, [1937], Hersteller: Rottenwallner Tonfilm-Produktion Mannheim). Hier klicken und den Film im öffentlich-zugänglichen Archiv der Agentur Karl Höffkes (AKH) sehen.

Besonderer Dank an Désirée Spuhler (MARCHIVUM/Mannheims Archiv) und Petra Werner (Porzellanikon – Staatliches Museum für Porzellan in Selb & Hohenberg a. d. Eger) bei der Unterstützung während der Recherche.

Dieser Beitrag wurde am 2. August 2022 aktualisiert.

Verwendete Quellen:

  • Adressbuch 1939 für den Kreis Torgau umfassend die Städte Torgau, Belgern, Dommitzsch, Prettin, Schildau, Gemeinde Annaburg und sämtliche Landgemeinden des Kreises. Bearbeitung, Druck und Verlag: Hoffmann & Schreyer, Torgau, Fürstenweg 11 (Stand: Januar 1939).
  • Forster, Ralf: Ufa und Nordmark. Zwei Firmengeschichten und der deutsche Werbefilm 1919–1945. Trier, 2005 (Filmgeschichte International; Bd. 17)
  • Rottenwallner, Fritz: Historische Personenrecherche & AV-Sammlung. In: MARCHIVUM. Mannsheims Archiv. Haus der Stadtgeschichte und Erinnerung.
  • Schreiber, Hermann/Honisch, Dieter/Simoneit, Ferdinand: Die Rosenthal-Story. Düsseldorf/Wien, 1980. Mit einem Vorwort von Walter Scheel.
  • Werbefilm. Porzellan „Rosenthal“, Material-Nr. 2556. In: Agentur Karl Höffkes (AKH). Film- und Foto-Archiv.


Headerfoto: Kaffeeservice der Porzellanmarke Rosenthal (Symbolfoto) / Foto: Eleonore Gualdi/pixelio.de

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