Es soll Statistiken geben, die herausgefunden haben, dass „Über mich“-Seiten zu den meistbesuchten Unterseiten einer Homepage gehören. Es muss etwas dran sein, denn Sie haben ja auch auf den Menüpunkt geklickt. Erfahren Sie hier also mehr über meinen persönlichen, schulischen sowie beruflichen Lebensweg und was mich mit Torgau verbindet.
Pünktlich zum Frühstück
Geboren wurde ich am 31. Mai 1972, einem Mittwoch, um etwa 7.30 Uhr – also pünktlich zum Frühstück –, im Kreiskrankenhaus Torgau. Die Stadt an der Elbe lag damals im DDR-Bezirk Leipzig und feierte just ein Jahr später, 1973, ihr 1.000-jähriges Bestehen. Noch nicht ganz so lange existierte die Kinderkrippe „Sputnik“ (Puschkinstraße 4), in der ich wochentags die Erzieherinnen nervte.
Käthe und ich
Erste vage Erinnerungen habe ich an die Jahre im Kindergarten (Leipziger Wall 13), der nach einer bekannten deutschen Grafikerin benannt wurde: Käthe Kollwitz (1867–1945). In ihren Zeichnungen spielten Kinder eine große Rolle, deshalb der Name. Schaue ich mir heute meine Kindergartenfotos an, sehe ich einen verschmitzt lächelnden Jungen, der wohl gern zu Käthe gegangen ist.
‚Goldene Kamera der DDR’
Am 2. September 1978 begann ein neues Kapitel. Ich wurde eingeschult in die 4. Polytechnische Oberschule (POS) in Torgau (heute: Katharina-von-Bora-Oberschule, Straße der Jugend 14). Mit Käppi, Ranzen und Zuckertüte – die fast so groß war wie ich – posierte ich an diesem Tag im Garten unseres Wohnhauses (Erzenstraße 1) für die legendäre Penti-II-Kleinbildkamera – die ‚goldene Kamera der DDR’ aus dem VEB Kamera- und Kinowerke Dresden. Die hatte vorher wohl genauso viel gekostet (ca. 155 DDR-Mark) wie die ganze Einschulung zusammen.
‚Sohn der Arbeiterklasse’
In der 9. Klasse hieß es plötzlich: Was soll beruflich aus dir werden, Junge? Als ‚Sohn der Arbeiterklasse’, Vater (*1943): Feuerungsmaurer, Mutter (*1949 †1988): Facharbeiterin für Glastechnik, kam eigentlich nur eine Ausbildung in Frage. An die Erweiterte Oberschule (EOS) dachte (noch) niemand. Auch ich nicht. Man wusste, wo man herkam.
Im freien Fall
Als am 5. Februar 1988 meine Mutter an Leukämie (Blutkrebs) starb, befand ich mich seelisch im freien Fall. Psychologische Hilfsangebote, wie Wolfsträne e. V. in Torgau, der Trauerbegleitung für Kinder und Jugendliche anbietet, wenn Eltern oder Geschwister sterben, gab es in der DDR nicht. Umso mehr sollten diese Angebote heute (finanziell) unterstützt werden. Jeder Euro hilft.
Wer zudem krebskranke Menschen unterstützen möchte, sollte Stammzellenspender werden. Die DKMS (ehemals Deutsche Knochenmarkspenderdatei) ist eine Organisation, die das fantastisch managt. Ich bin übrigens auch seit 2021 als Spender registriert – und hoffe, dass ich meinem genetischen Zwilling mit einer Stammzellspende irgendwann helfen kann.
Weniger Gängelei, mehr Freiheit(en)
Doch jetzt geht es nochmal zeitlich zurück: Im Jahr 1988 begann ich meine zweijährige Lehre als Industriekaufmann beim VEB Landmaschinenbau Torgau (Prager Straße 1). Die Theorie holte ich mir in der Kommunalen Berufsschule (KBS) Torgau (Puschkinstraße 3). Die politische Wende von 1989/90 veränderte ohne Frage auch mein Leben und nicht zuletzt den (Schul-)Alltag zum Besseren: weniger Gängelei, keine vormilitärische Ausbildung (ZV oder GST), dafür mehr persönliche Freiheit(en).
„Zivildienst ist sozialer Dienst am Volke“
Am 29. März 1990 stand allerdings meine Musterung an. Nur Wochen zuvor, am 20. Februar, hatte die Volkskammer eine neue „Verordnung über den Zivildienst in der DDR“ verabschiedet. Dort hieß es in § 1, Abs. 1:
Männliche Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, die aus Glaubens- oder Gewissensgründen den Wehrdienst ablehnen, haben das Recht, Zivildienst zu leisten. Der Zivildienst ist sozialer Dienst am Volke.
Ich war heilfroh, dass die Verordnung bereits am 1. März 1990 in Kraft trat. So zählte ich zu den ersten jungen Männern in der DDR, die sich bei der Musterung für den Zivildienst entscheiden durften. Nochmal Glück gehabt.
Kurzarbeit, Kündigung, Neustart
Im Sommer 1990 übernahm mich mein Ausbildungsbetrieb, der eine GmbH geworden war, setzte mich aber von Januar bis April 1991 auf „Kurzarbeit Null“. Dann flatterte die Kündigung ins Haus. Für einen 18-Jährigen kein guter Start ins Berufsleben.
Ich schaute erst mal ernst (siehe Foto), dann aber nach vorn: Von 1991 bis 1993 holte ich abends mein Abitur auf der Volkshochschule (VHS) Torgau nach, um später studieren zu können. Tagsüber machte ich anfangs eine Umschulung, später war ich Zivi beim Deutschen Roten Kreuz (DRK, Puschkinstraße 2) Torgau.
Very nice, indeed
Mit einem guten Abi-Notendurchschnitt schrieb ich mich 1993 an der Universität Leipzig für Germanistik, Journalistik sowie Mittlere und Neuere Geschichte ein. Letzteres wählte ich allerdings nach einem Semester ab und wechselte zu Anglistik. So konnte ich 1996/97 für ein Auslandssemester nach Manchester inklusive Erasmus-Stipendium. Very nice, indeed.
Hatte ich einst jüdische Vorfahren?
Bis zu meinem Studium machte ich mir keine großen Gedanken über die Herkunft meines Familiennamens: Schlesinger. Das änderte sich im Sommersemester 1996, als ich das Seminar „Tierdarstellungen und -projektionen in der Kinder- und Jugendliteratur“ besuchte.
Eines der Bücher, das wir kritisch diskutierten, war „Der Pudelmopsdackelpinscher und andere besinnliche Erzählungen“. Geschrieben hat es 1940 der antisemitische NS-Schriftsteller Ernst Hiemer. In dem Kinderbuch werden eher negativ besetzte Tiere wie Hyänen, Wanzen oder Giftschlangen in aggressiver Weise mit Juden gleichgesetzt – ähnlich wie im NS-Propagandafilm „Der ewige Jude“ (1940), in dem jüdische Menschen mit Ratten gleichgestellt werden.
In „Der Pudelmopsdackelpinscher“ (der Titel spielt auf die fehlende eindeutige „Rassezugehörigkeit“ an) findet sich in dem Kapitel „Das Chamäleon“ (ein Tier, das ständig sein Aussehen ändert, wie angeblich die Juden ihr Aussehen und ihre Namen) diese Textpassage:
Die Juden erkannte man früher auch an ihren Namen. Viele hießen: Loew, Hirsch, Schlesinger, Österreicher, Sonnenschein, Silberstein, Rosenblüt, Hirschfeld, Abeles, Pollak und Cohn.
Ich war überrascht, dass mein Familienname dort auftauchte. Hatte ich einst jüdische Vorfahren? Meine Großeltern konnte ich nicht mehr fragen, beide lebten nicht mehr. Doch ich erinnerte mich plötzlich, dass ich hebräische bzw. jiddische Wörter wie „meschugge“ (verrückt), „Macker“ (Kamerad, Freund) oder „Ische“ (Ehefrau oder Freundin) als Kind gehört und auch selbst verwendet hatte.
Interessierte ich mich zuvor schon für deutsche Geschichte, so kam spätestens seit diesem Seminar der jüdische Blickwinkel hinzu. Seit 2010 bin ich zudem Mitglied von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, einem Verein, der sich im Besonderen gegen Judenfeindlichkeit und Rechtsextremismus engagiert.
„Go West“
Im Frühjahr 2000 ging es mit meinem Magisterabschluss in der Tasche nach Berlin. Nach Praktika in einer Zeitschriften- und Fernsehredaktion sowie einem Online-Volontariat merkte ich aber bald, dass es in der Hauptstadt sehr, sehr wenige Jobs gab – wie Anfang der 2000er-Jahre im Osten insgesamt. Ich erinnerte mich an „Go West“ von 1979 (Village People) bzw. 1993 (Pet Shop Boys) und ging wie so viele damals in die alten Bundesländer (u. a. Stuttgart, München), um dort mein berufliches Glück in der Medienlandschaft zu finden.
Im Osten geht die Sonne auf
Ende der 00er-Jahre besserte sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern inklusive Berlin. Meine Jobs als Content-Manager, Texter, Redakteur oder Fester Freier in einer Zeitungsredaktion (Cottbus) ließen mich wieder an eine berufliche und vor allem lebenswerte Zukunft im Osten glauben. Denn dort geht schließlich die Sonne auf.
Nach mehreren Jahren als angestellter Redakteur arbeite ich momentan wieder freiberuflich und habe 2022 meinen Lebensmittelpunkt von Berlin zurück in die Heimat verlagert. Denn: Die Elbe ruft.